Am 12. Juni ging für alle PS3-Jünger ein Traum in Erfüllung: Mit “Metal Gear Solid 4” veröffentlichte Konami das wohl letzte Abenteuer des symphatischen Raubeins Snake. Wird der Titel den Erwartungen gerecht? Dürfen auch Neueinsteiger einen Blick riskieren? Wie schlägt sich die eigenständige Multiplayerkomponente “Metal Gear Online”? Gemach, gemach lieber Leser, unser ausführlicher Test schafft Klarheit!
Der Anfang vom Ende
Was sich heute schon ankündigt, ist im Jahre 2014 Wirklichkeit: Kriege werden weder der Macht noch des Idealismus wegen ausgetragen. Die blutigen Gefechte haben sich zu einem routinierten Zahnrad der Wirtschaft entwickelt. Stellvertreterkriege sind an der Tagesordnung, und überall wo gekämpft wird, klingeln die Kassen der beteiligten Unternehmen, Waffenhändler und Spekulanten. Neue Techniken wie Roboter, ID-Systeme und Nano-Implantate haben den Krieg verändert: Alles wird kontrolliert und überwacht – Waffen, Soldaten, Truppenstärke – um den Sieg effektiver zu planen, Ressourcen besser zu nutzen, Supersoldaten heranzuzüchten und abtrünnige Söldnertruppen, die den Großteil der kämpfenden Riege ausmachen, zu kontrollieren. Das System scheint sicher, ausgeklügelt. Doch einmal mehr ist nicht alles so, wie es scheint ...
In der Zeit des privatisierten Krieges ist für altgediente Helden kein Platz mehr. Für Helden wie Solid Snake, der schon mehrfach das Schlimmste verhindert hat. Für einen Helden, an dem der Zahn der Zeit sichtbar genagt hat. Vernarbt und geschunden von seiner aufopferungsvollen Vergangenheit und heimgesucht von einem tödlichen Virus, der ihn blitzschnell altern lässt, zieht sich Snake aus dem Geschehen zurück. Doch gerade jetzt holt ihn seine Vergangenheit wieder ein: Sein Gegenspieler Liquid bedroht erneut die Menschheit. Also macht sich die gealterte Schlange ein letztes mal auf, die Welt vor der Ausgeburt des Bösen zu retten. Um ein letztes mal Gutes zu tun, ein letztes mal das Böse zu besiegen.
Schleich dich, oder kämpfe!
Fans der Serie fühlen sich in “Metal Gear Solid 4” schnell zu Hause, doch auch an Neueinsteiger wurde gedacht. Wer die leichteren Schwierigkeitsgrade wählt, bleibt vor frustigen Stellen verschont, kann sich durch den Titel wie durch einen Egoshooter ballern, und vollends die Story genießen. Dadurch verpasst man aber natürlich einen Großteil der spielerischen Faszination. Um gefordert zu werden, solltet ihr mindestens auf “Normal” spielen. Hier ist es angeraten, von Snakes Tarn- und Schleichkünsten Gebrauch zu machen, die Betäubungspistole und das neue Solid-Eye, das unter anderem ein praktisches Nachtsichtgerät beinhaltet, einzusetzen. Zudem solltet ihr euch in den Levels etwas genauer umschauen: Zahlreiche Alternativwege bieten die Möglichkeit, Brennpunkte zu umgehen oder Gegnern in den Rücken zu fallen. Apropos Gegner: Da ihr als Einzelkämpfer agiert, habt ihr in den Kriesengebieten oft die Wahl, auf wessen Seite ihr euch schlagt. Im besten Falle bekommt ihr dann von einer Partei sogar Unterstützung.
Neu ist ein kleiner Miniroboter, der euch stets begleitet und auch selbst gesteuert werden kann. So lässt sich unübersichtliches Terrain in Ruhe erkunden – schließlich verfügt die putzige Blechschüssel über einen Tarnmodus. Sonst wird MK II – so der Name des Kleinen - von einem alten Bekannten gesteuert: Otacon sitzt am anderen Ende der Leitung und versorgt Snake zudem mit allerlei Informationen. Ebenfalls ein netter Einfall: Durch das ID-System sind viele Waffen an eine gewisse Seite gebunden und können so nicht einfach abgeschossen werden. Abhilfe schafft der Waffenhändler Drebin, der die Knarren gegen ein kleines Entgeld für uns “wäscht”, und so verfügbar macht. Zudem verkaufen wir aufgesammelte Knarren an den Affenfreund, und erhalten so – völlig automaisch – wertvolle Punkte.
Etwas überladen wirkt allerdings die Steuerung: Durch die Tatsache, dass mit einer Taste oft mehrere Aktionen ausgeführt werden können, agiert Snake ab und an ungewollt anders - gerade bei Nahkämpfen. Hier ist also ein wenig Übung angesagt.
Mehrspielerfreuden
Mit “Metal Gear Online” findet sich auf der Spiele-Blu-Ray zudem ein eigens entwickelter Mehrspielermodus, der den ausgezeichneten Gesameindruck noch weiter verstärkt. Hier erwartet euch nicht etwa ein Aufguss des Einzelspielermodus, sondern eine abgekoppelte Komponente, die zwar bekannte Areale bietet, sich sonst aber locker eigenständig verkaufen lassen würde. Auf fünf Maps duelliert ihr euch in diversen Mehrspielermodi, die sich angenehm vom Genreeinerlei abheben. Für Langzeitmotivation sorgen die individuelle Charakterentwicklung und die vielen witzigen Ideen, die den im Vergleich zu “Quake” und Co. angenehm taktischen Spielablauf etwas auflockern. So könnt ihr – wie auch im Singleplayermodus – etwa Erotikhefte in den Levels platzieren, und so feindliche Einheiten ablenken. Oder ihr versteckt euch in einem Karton und ergreift als hoppelndes Stück Papier die Flucht, wenn ihr entdeckt werdet – einfach herrlich! Noch witziger ist das Katapult, mit dem ihr euch durch die Maps schießt und so für die eine oder andere Überraschung bei euren Feinden sorgt. Gekoppelt mit der Tatsache, dass Sony für die Onlinefähigkeit der PS3 – im Gegensatz zu Microsoft mit seiner Xbox 360 – nichts verlangt, dürfte sich “Meta Gear Online” schnell zur festen Größe im PS3-Multiplayermetier mausern. Wenn Konami dann noch ein paar neue Maps nachreicht, dürftet ihr die nächsten Monate gut beschäftigt sein.
Filmreife Unterhaltung
Entwicklerlegende Hideo Kojima setzt dem zum Kultcharakter avancierten Solid Snake mit “MGS 4” ein spielerisches Denkmal. Es ist gerade die Geschichte, gepaart mit der tollen Optik und den genialen Zwischensequenzen, die euch bis zum Abspann nicht mehr loslässt. Der Grundrahmen des Kampfes Gut gegen Böse bleibt zwar erhalten, allerdings streut Kojima in die Story dermaßen viele kleine Geschichten, Charakterzüge und Emotionen ein, dass man meinen möchte, man sehe einen guten Film. Wir sind uns sicher: Die ausufernden Zwischensequenzen einfach aneinanderschneiden – die Filmverleiher stünden Schlange.
Man kann die Faszination, die von diesem Titel ausgeht, schlecht in Worte fassen. Selten fühlte man sich in einem Spiel so intensiv mit den Charakteren verbunden. Jede Nebenrolle, sei es eine noch so unwichtige, hat eine Geschichte zu erzählen, agiert glaubwürdig, offenbahrt eine eigene Persönlichkeit. Es ist eine dieser Handlungen, bei der man nicht das Gefühl hat, durch einen Tunnel zu blicken, sondern erkennt, dass hinter dem Storystrang, den das Spiel vermittelt, ein großes Universum existiert, in dem die Charaktere weiterleben und atmen, auch über die erzählte Geschichte hinaus.
Maßgeblich für den hervorragenden Gesamteindruck verantwortlich ist die wunderbare Präsentation, die die Story in einprägsamen Bildern wiedergibt. Die optische Qualität des Titels lässt sich in etwa mit der von “Call of Duty 4” vergleichen, wenn “MGS 4” ab und an auch mit ein paar matschigen Texturen zu kämpfen und etwas kleinere Level zu bieten hat. Dafür verwöhnt euch Snakes letztes Abenteuer mit den wohl gelungensten Zwischensequenzen der Spielegeschichte: Wunderbare Bildsprache, exzellente Schnitte und realistische Animationen machen jede Sequenz zu einem Genuß. Hinzu kommt der referenzträchtige Soundtrack, der mit einprägsamen Klängen und einer nahezu perfekten englischen Vertonung (es gibt lediglich deutsche Untertitel) daherkommt. Hier erwartet euch ganz großes Kino!
Ausgezeichnet mit den folgenden GameRadio-Awards:

