Videospiele als Kunst: Ist das möglich? Und kann ein 2D Jump 'n' Run so viel Atmosphäre erzeugen, dass es als Horrorspiel gilt? Auf jeden Fall! Erfahrt in unserer Review, wieso Limbo eines der außergewöhnlichsten Games ist, die ihr bislang zu sehen bekommen habt.
Tretet ein in die Hölle
Nein, der Titel hat nichts mit dem „Limbo Dance“ zu tun.
Limbo ist das englische Wort für Limbus, die Vorhölle. Die Geschichte des zuvor Xbox 360-exklusiven Download-Titels wird euch schlicht im Informationsfenster des Downloads angezeigt, im Spiel selbst wird sie nicht direkt angesprochen: Ein Junge betritt den Limbus, um seine Schwester zu finden.
Ein schauriges Kunstwerk
Limbo ist ein 2D Jump 'n' Run, das euch so manches Rätsel präsentiert, an dem ihr euch an ein paar Stellen mitunter die Zähne ausbeißen könnt. Doch in erster Linie ist das Game ein spielbares Kunstwerk. Es verzichtet auf jegliche Farbe, präsentiert sich also in Schwarz-Weiß und Grautönen. Schon der Beginn lässt euch einen Schauer über den Rücken laufen: In einem düsteren Wald liegt eine komplett schwarze Gestalt zwischen schwarzen Felsen, Bäumen und Gras. Drückt ihr nun einen Knopf, offenbart sich die Gestalt als ein Junge, der sich sehr langsam und dabei geschmeidig aufrappelt. Alleine dieser winzige Protagonist sieht auf den ersten Blick etwas erschreckend aus, wenn dieses pechschwarze Wesen seine gleißend weißen Augen öffnet.
Ohne Musikuntermalung macht sich der „Held“ nun auf, diese düstere Vorhölle zu durchforsten. Das Flair und das Gefühl der Isolation – ihr begegnet nur wenigen Menschen und diese wollen euch an den Kragen – können durchaus an ein Kunstwerk wie
»Shadow of the Colossus erinnern, auch wenn sich dieses ziemlich anders spielt. Die Steuerung von
Limbo ist sehr zugänglich: Ihr lauft mit dem Analogstick, springt mit X oder Dreieck und greift mit Kreis oder Quadrat. Attackieren könnt ihr nicht, begegnen euch Feinde, müsst ihr sie anhand von Hilfsmitteln in der Umgebung überlisten bzw. besiegen. Ein Tutorial oder eine Einführung in die Geschichte gibt es nicht. Das macht auch den Reiz von
Limbo aus, es wirft euch direkt ins Wasser – und zwar in ein kaltes, düsteres Gewässer.
Das Spiel ist relativ kurz geraten, in sechs Stunden könnt ihr es gut schaffen, den Abspann zu sehen. Aufgrund des minimalistischen Settings, welches hauptsächlich auf die schauderhafte Atmosphäre ausgelegt ist, fühlt sich die Dauer aber genau richtig an – alles andere zöge sich hin wie ein Kaugummi. 39 Kapitel bietet
Limbo insgesamt, die aus direkt aufeinander folgenden Szenen bestehen, in denen ihr jeweils ein spezielles Rätsel lösen müsst. Von diesen ist keines genau wie das andere, weshalb ihr stets von neuem überlegen müsst, wie ihr die Situation am besten übersteht. Der Schwierigkeitsgrad schwankt hierbei von sofort lösbar bis zu schweren Kopfnüssen.
Limbo bietet übrigens keinerlei Bildschirmanzeigen. Ihr habt unendlich viele Leben, werdet also nach jedem Ableben wieder direkt beim aktuellen Rätsel abgesetzt.
Knarrrz
Eine Musikuntermalung bekommt ihr anfangs zwar nicht zu hören, gänzlich abwesend ist eine solche jedoch nicht. Der Sound und auch der seltene Einsatz von Musik macht viel vom atmosphärischen Reiz von
Limbo aus. Geräusche, wie das Surren einer riesigen Mücke oder das Knirschen von Zahnrädern, wirken sehr bedrohlich und kühl. Gerade in der zweiten Hälfte werdet ihr solche Zahnräder öfter zu hören bekommen, da ihr euch dort vom Waldsetting entfernt und durch recht industrielle Umgebungen wandert. Selbst hier bleibt die Atmosphäre sehr düster, allerdings wirken ein flackernder Hotel-Schriftzug und Fließbänder dann nicht mehr ganz so höllenartig, was also einen leicht inkonsequenten Eindruck hinterlässt. Das Ambiente bleibt aber immer noch erschreckend, besonders wenn dann plötzlich eine schockierende Melodie ertönt, während ihr beispielsweise in einem Abschnitt im immer dunkler werdenden Korridor zwischen Kisten und Zahnrädern hin und her springt.
Ein zusätzliches Element, welches das Gefühl der Vorhölle im späteren Verlauf des Spiels etwas wegnimmt ist, dass ihr nicht mehr wie zu Beginn einer mordlüsternen Spinne, agressiven Menschen oder Gehirnparasiten (welche euch nur in eine Richtung laufen lassen) begegnet, sondern hauptsächlich Rätsel löst, bei denen ihr unter anderem die Schwerkraft per Schalter beeinflussen müsst. Die Todesarten des jungen Protagonisten sind allerdings von Anfang bis Ende sehr makaber inszeniert, beispielsweise wenn er von Sägeblättern in Stücke zerhackt wird. Für junge Spieler ist
Limbo also nicht geeignet, was sich auch bemerkbar macht, wenn ihr Kinderleichen aus dem Wasser ziehen müsst, um sie als Aufstiegsmöglichkeit zu benutzen.
Limbo endet übrigens ziemlich abrupt, aber wie erwartet atmosphärisch. Unser Tipp: Seht euch nach dem relativ offenen Ende nochmal den Titelbildschirm an!
Ausgezeichnet mit den folgenden GameRadio-Awards:
