Die fehlende Zahl im Titel lässt vermuten, dass es sich bei Assassin's Creed: Brotherhood um einen simplen Ableger der Assassinen-Serie handelt. Weit gefehlt: Euch erwartet ein vollwertiges Abenteuer, dass die Geschichte von Ezio Auditore da Firenze fortführt und natürlich erfahrt ihr zudem, wie es für Desmond Miles in der Gegenwart weitergeht. Und dabei geht es fast so umfangreich zu wie in »Assassin's Creed 2.
Zwei Zeiten, ein Auftrag
Assassin's Creed: Brotherhood steigt genau dort ein, wo uns der Vorgänger mit vielen Fragezeichen über dem Kopf zurückgelassen hat. Ezio Auditore da Firenze hat nach seinem Rachefeldzug gegen die Mörder an einem Großteil seiner Familie ein recht verwirrendes Gespräch mit Minerva hinter sich, dessen Bedeutung er nicht verstehen kann. Wie auch sollte der adlige Schönling im Jahre 1499 wissen, dass sich diese Unterhaltung an seinen eigenen Nachfahren im Jahre 2012 richtet? Desmond Miles, so dessen Name, ruft die Erinnerung von Ezio über ein Gerät, dem Animus, aus seiner DNA ab und erlebt so dessen Leben hautnah mit. Doch eigentlich befindet sich Desmond auf der Flucht vor einer undurchsichtigen Firma namens Abstergo, die offensichtlich zu den Templern gehört. Diese liegen seit Jahrhunderten mit den Assassinen, zu denen auch Desmonds Blutlinie gehört, im Clinch und sind auf der Jagd nach dem Edenapfel - einem Relikt, das ungeheure Macht verspricht. Dieser befand sich kurzzeitig im Besitz von Ezio, ist in den Jahren allerdings verloren gegangen, weswegen sich Desmond nun zusammen mit den Überresten der Assassinen in seiner eigenen DNA auf die Jagd nach einem Hinweis auf den Verbleib des Edenapfels macht.
Desmond hat zwar eigentlich die Hauptrolle in der
Assassin's Creed-Reihe intus, der spielerische Fokus liegt allerdings bei Ezio im Jahre 1500. Dieser kehrt mit dem Edenapfel in seinem Besitz nach Monteriggioni in die Villa der Auditores zurück. Schon nach wenigen kleinen Missionen, die der Erlernung der Steuerung dienen, passiert das Unvorstellbare: Die kleine Stadt wird angegriffen. Cesare Borgia, Sohn des Papstes Rodrigo Borgia aus
Assassin's Creed 2 steht vor den Toren und fordert die Kapitulation von Ezio, seinem Onkel Mario und Caterina Sforza. Ezio verteidigt die Stadt mit allen Kräften und es gelingt ihm, den Bürgern zur Flucht zu verhelfen, bevor das Tor der Stadt zersplittert und Cesare und seine Mannen ihre Gefangenen präsentieren: Mario und Caterina. Den Edenapfel triumphierend in der Hand, fordert er Ezio auf, ihn in Rom zu besuchen - und erschießt Mario. Ezio macht sich schwer verwundet nach seiner Flucht auf den Weg nach Rom, um Borgia endgültig zu stellen.
Rom ist dreimal so groß geworden wie es Florenz in
Assassin's Creed 2 gewesen ist. Da die Handlung - bis auf wenige Ausnahmen - komplett hier spielt, gibt es innerhalb der Welt keine Ladezeiten. Auf Abwechslung muss auch niemand verzichten: Neben dem Zentrum von Rom gibt es noch allerlei Bereiche mit viel freier Fläche, etwa um das Kolosseum herum.
Bewährtes... und Neues
Das grundsätzliche Gameplay wurde aus
Assassin's Creed 2 übernommen: Ezio erklettert wie gehabt Fassaden und hechtet über die Dächer der ewigen Stadt und rennt durch die engen Gassen zwischen den Häusern. Dabei kommt, ähnlich wie in
Grand Theft Auto, eine offene Spielwelt zum Einsatz, ihr könnt also selbst festlegen, was euer nächstes Ziel sein soll. Wollt ihr der Hauptstory weiter folgen oder doch lieber eine der unzähligen Nebenaufgaben erledigen? Ihr könnt wie gewohnt Auftragsattentate durchführen, Verfolgungsjagden und vieles mehr. Oder ihr macht euch auf die Suche nach Schatzkisten, Federn und Flaggen, welche überall in der ewigen Stadt versteckt sind.
Die Neuerungen sind bei
Assassin's Creed: Brotherhood eher im Detail zu finden. Pferde können nun innerhalb der Stadt verwendet werden, was euch zwar in den engen Gassen wenig nutzt, im Feld allerdings einige Vorzüge gegenüber dem Laufen hat. Das Kampfsystem wurde dynamischer gestaltet, indem Ezio Blitzattentate ausführen kann, um so auch einer großen Gruppe Feinde im Nahkampf schnell den Garaus machen. Auffälligste Neuerung ist allerdings die titelgebende Bruderschaft der Assassinen. Ezio kann bestimmte Bürger in Rom retten, die sich daraufhin seinem Kampf anschließen und sich von euch zu Assassinen ausbilden lassen. Diese könnt ihr an in der Stadt verteilten Taubenschlägen in alle Welt entsenden, wo sie für euch Aufträge erledigen. Damit verdienen sie nicht nur Geld für euch, sondern bringen auch Erfahrung mit, mit denen ihr sie aufrüsten könnt, bis sie in einer Zeremonie zu Assassinen werden. Sind eure neuen Helfer nicht in der ganzen Welt verstreut, sondern bei euch in Rom, so könnt ihr diese jederzeit zu Hilfe rufen. Habt ihr ein Rufsignal zur Verfügung, genügt ein kurzer Tastendruck und schon greifen die Assassinen eure Gegner an. Bei drei vollen Signalen könnt ihr auch Armbrustpfeile auf eure Gegner regnen lassen. Nachdem ihr ein Signal verwendet habt, dauert es eine Weile, bis sich dieses wieder gefüllt hat und benutzbar ist.
Was in
Assassin's Creed 2 die Renovierung des Dorfes um die Auditore-Villa herum gewesen ist, ist in
Assassin's Creed: Brotherhood die Renovierung Roms. Ganz Rom steht unter dem schädlichen Einfluss der Borgia, die Läden sind verwaist, viele Bauwerke verfallen. Mit eurem verdienten Geld könnt ihr Banken, Schmieden und Ärzte wieder neu aufbauen. Neben der Nutzbarkeit dieser Geschäfte hat es auch noch einen weiteren Vorteil für euch, nämlich monetärer Natur. Denn die Geschäfte erzielen Einnahmen, an denen ihr beteiligt werdet. Alle 20 Minuten wird der entsprechende Betrag auf euer Bankkonto eingezahlt, wo ihr die Kohle jederzeit abholen könnt. Manche Bauwerke dürft ihr nach dem Kauf auch noch renovieren, etwa Aquädukte. Besonders interessant sind die Tunnel, welche als Schnellreisesystem innerhalb Roms fungieren. Manchmal könnt ihr Gebäude aber nicht renovieren, weil diese in der Nähe eines Borgia-Turmes platziert sind. Dann müsst ihr zum Turm, dort den Kommandanten töten und das Bauwerk abfackeln. Das ist eine nette Ergänzung zu den reinen Aussichtspunkten, bringt euch spielerisch aber nicht viel.
Zwar verliert Ezio einen Teil seiner bekannten Ausrüstung zu Beginn von
Assassin's Creed: Brotherhood, erlangt aber recht bald einige neue Spielzeuge. Besonders gespalten hat die Fangemeinde wohl die Armbrust, welche vielen zu stark und mächtig vorkommt. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass Wurfmesser bis zu drei Feinde gleichzeitig lautlos töten können und somit meist wesentlich effektiver sind. Auch neu ist der Fallschirm, den Ezio mit Druck auf die Quadrattaste bei einem Sturz aktivieren kann. Leider kommt dieser innerhalb der Missionen nie wirklich zum Einsatz, weswegen das Teil eher wie ein (sinnloses) Spielzeug anmutet.
Käfer und mehr
Stärker als der Vorgänger krankt
Assassin's Creed: Brotherhood allerdings an einiger Unmotiviertheit der Macher: Viele der Missionen sind äusserst generisch ausgefallen. Entweder heisst es, einfach alle zu töten, damit es weitergeht, oder von Wachen unbemerkt an einen bestimmten Punkt zu gelangen. Da bot
Assassin's Creed 2 um einiges mehr Abwechslung. Und vor allem erwies es sich als ausgefeilter. Die Entwickler hätten gut und gerne noch mindestens ein halbes Jahr in das Spiel stecken müssen, um die Bugs und Defizite in der Spielmechanik zu beheben. Dazu kommt eine KI, die äusserst wenig nachvollziehbar ist: Ihr könnt eine Wache direkt neben einer Zielperson töten und diese macht weiter, als sei nichts gewesen - obwohl sie die Leiche klar gesehen hat. Umgekehrt kann es passieren, dass ihr unbemerkt mehrere Wachen hintereinander ausschalten müsst und diese sich als so hellhörig erweisen, dass ihr immer wieder dabei auffliegt - bis ihr rausgefunden habt, wie die Entwickler wollten, dass ihr die Situation löst. Haltet ihr euch daran, ist das Spiel ein Spaziergang.
Kein Spaziergang ist hingegen der Multiplayer-Part von
Assassin's Creed: Brotherhood. Und die Entwickler haben es wirklich geschafft, das serientypische Gameplay in spannende Onlinegefechte zu verwandeln. Vier Modi stehen zur Verfügung, von denen nur zwei von Beginn an verfügbar sind. Wie in vielen aktuellen Onlinespielen steigt ihr durch verdiente Punkte im Rang auf und bekommt mit jedem Aufstieg neue Fähigkeiten, Eigenschaften oder auch Charaktere spendiert. Daraus könnt ihr euch Profile zusammenstellen, die eurer Spielweise entsprechen: Wollt ihr lieber einen Sprint-Bonus nutzen... oder die Fähigkeit, euch zu verkleiden? Der beliebteste Modus ist wohl "Gesucht", quasi das
Assassin's Creed-Pendant zum Deathmatch. Allerdings ist hier Taktik sehr wichtig: Auf der Karte treiben sich nämlich nicht nur die Spieler herum, sondern auch NPC (Nichtspieler-Charaktere). Ihr bekommt ein Ziel zugewiesen, welches ihr mit der Hilfe eines eingeblendeten Kompasses aufspüren müsst.
Genauso könnt aber auch ihr zum Ziel einer oder mehrerer Mitspieler werden. Ihr seht stets, wieviele Spieler hinter euch her sind. Der ganze Modus wirkt ein wenig wie ein Maskenball: Steht euer Ziel etwa in einer Gruppe ähnlich aussehender KI-Charaktere, wird es schwierig, das richtige Ziel zu erwischen. Darum empfiehlt es sich, nicht wie ein Berserker über die Maps zu rennen, sondern vorsichtig vorzugehen. Denn bemerkt euch euer Gegner, kann er euren Angriff kontern oder die Flucht ergreifen. Der Multiplayer ist in der
Assassin's Creed-Reihe eine Neuerung, die durchaus Laune macht und die Grundprinzipien des Gameplays schon jetzt geschickt umsetzt. Allerdings fehlt es noch ein wenig an Langzeitmotivation.
Grafisch hat sich im Vergleich zum Vorgänger wenig getan. Teilweise kann man sogar von einem Rückschritt sprechen: Tearing und Ruckler können immer mal wieder auftreten, selbst wenn sich nicht viel auf dem Bildschirm tut. Dafür überzeugt der Soundtrack, der wie auch der von
Assassin's Creed 2 aus der Feder von Jesper Kyd stammt. Und genau wie im Vorgänger erwartet euch wieder eine professionelle, deutschsprachige Synchronisation.