Die Medal of Honor-Serie hat es nicht leicht gehabt. Erst landet man mit Allied Assault einen richtigen Hit, dann verlässt ein Großteil des Entwicklers 2015, Inc. das Team, gründet Infinity Ward und überholt Medal of Honor mit Call of Duty aus dem Hinterhalt und schon kann Electronic Arts bei weitem nicht mehr an die Qualität der Serie von Activision heranreichen. Mit Airborne enttäuschte man die Fans zuletzt maßlos und die Serie verabschiedete sich vorerst in die ewigen Jagdgründe. Doch nun ist MoH wieder da und diesmal hat man sich endlich vom Zweiten Weltkrieg abgewendet und betritt das aktuelle Afghanistan-Szenario. Doch ist der Reboot wirklich gelungen? Das erfahrt ihr in unserem Test.
Amerikaner gegen Taliban
Ego-Shooter sind ja bekanntlich nie die großen Story-Knaller, wenn man mal von ein paar Außnahmen absieht. Schon
»Modern Warfare 2 konnte nicht gerade mit einer fein ausgeklügelten Geschichte trumpfen. Im Gegenteil: Diese wurde unglaublich wirr erzählt und einen wirklichen Sinn hinter den Ballerabschnitten konnte man auch nicht erkennen. Im Grunde war die ganze Story nur deswegen so konzipiert, damit man möglichst viele unterschiedliche Orte im Spiel unterbringen konnte.
Nun, in einem Punkt können wir euch beruhigen: Diesen Weg bestreitet
Medal of Honor keinesfalls. Denn was die Umgebungen betrifft, seid ihr die ganze Zeit in Afghanistan unterwegs. Und das sieht im Prinzip immer gleich aus: Viel Sand und Berge mit Schnee. Das mag mit der Zeit etwas eintönig werden, liegt aber nun mal am Szenario. Aber das ist auch nicht das Problem: Das liegt nämlich in der Geschichte, denn im Prinzip gibt es keine. Na gut, so ganz stimmt das nicht, denn eine Story ist schon vorhanden. Aber mehr als "US-Soldaten gegen Taliban" gibt diese nicht her. Zudem steuert ihr, wie in
»Modern Warfare, mehrere Charaktere, die entweder mit der sogenannten "Tier 1"-Einheit feindliche Basen infiltrieren und eher die leise Vorgehensweise bevorzugen oder den US-Rangern angehören und deutlich direkter agieren. Trotzdem habt ihr noch weniger als im Infinity Ward-Konkurrenten das Gefühl, hier einen wirklichen Charakter mit eigener Persönlichkeit zu spielen. Oder besser formuliert: Wer nicht zu hundert Prozent genau aufpasst, weiß am Ende nie so wirklich, welchen Soldaten er gerade steuert. Auch die Nebenfiguren verkommen zu blassen Soldaten, die kein einziges Herausstellungsmerkmal besitzen. Ich möchte
Modern Warfare 2 jetzt im Bezug auf Geschichte nicht zu sehr loben, aber
Medal of Honor zeigt, dass es noch schlechter geht.
Ballern, schleichen, ballern, fahren, ballern
Letztendlich muss man aber natürlich sagen:
Medal of Honor ist ein Shooter und da ist eine fantastische Story zwar immer gut, aber nicht zwingend erforderlich, um Spielspaß zu erzeugen. Es gibt schließlich nicht viele Shooter, die eine gute Geschichte erzählen und trotzdem werden einige davon als Toptitel angesehen. Hier zählt die spielerische Qualität aber natürlich gleich doppelt so viel - und genau das bricht
Medal of Honor letztendlich das Genick im Kampf gegen
Call of Duty und
»Battlefield: Bad Company 2.
Dabei funktionert die Shooter-Mechanik eigentlich ganz gut. Das Trefferfeedback kann überzeugen, die Waffenvielfalt geht in Ordnung und die Steuerung funktioniert tadellos - zumindest dann, wenn man nicht mit einem Fahrzeug unterwegs ist und dieses selber kontrolliert. Ja, es gibt Fahrzeugsequenzen, bei den meisten übernehmt ihr jedoch nur die Funtkion des Bordschützen, sodass
Medal of Honor häufig zur reinen
Moorhuhn-Ballerei mit Taliban-Soldaten wird. So etwas muss jedoch heutzutage nicht mehr sein und langweilt einfach nur noch. Klar, auch ein
Modern Warfare hat solche Szenen, aber nicht in der Masse und Länge, wie es bei EAs Shooter der Fall ist. Und wenn ihr dann aber tatsächlich mal ein Fahrzeug selber steuern dürft, macht sich dabei eine äußerst schwammige Steuerung bemerkbar, sodass der Spielspaß hier stark geschmälert wird. Zusätzlich gibt es noch Szenen, in denen ihr Luftschläge anfordern müsst. Das ist beim ersten Mal noch ganz nett, weil ihr dabei quasi ein Zeitlimit habt (die Ziele dürfen einen bestimmten Ort nicht erreichen). Doch da
Medal of Honor diese Sequenzen oft wiederholt, liegen auch hier die Nerven schnell blank. Und wenn man dann auch noch in einem Level ein MG-Nest mit Sperrfeuer beharken müsst, damit eure Kollegen sicher vorstoßen und die Gegner ausschalten können, wird das Fass zum Überlaufen gebracht. Denn was in der Theorie ganz spannend klingt, ist in Wirklichkeit das Langweiligste, was uns jemals in einem Actionspiel untergekommen ist. Da ihr stets mit einem Maschinengewehr immer nur auf die gleiche Stelle ballert, ohne dabei auch nur einen Schritt gehen zu müssen. Nein, danke, liebes Entwicklerteam! So etwas brauchen wir nun wirklich nicht!
Das große Problem von
Medal of Honor ist aber einfach die Tatsache, dass es sich total belanglos spielt. Es gibt keine Szenen, die auch nur annähernd in Erinnerung bleiben, weil sie so unglaublich packend sind. Alles spielt sich so, wie man es schon von
Call of Duty her kennt, ohne dabei aber jemals dessen Bombast zu bieten. Denn, seien wir mal ehrlich:
Modern Warfare ist auch nur eine große Schießbude, was die Entwickler uns aber durch die Inszenierung für die Zeit des Spielens vergessen lassen. Das passiert bei
Medal of Honor nicht! Dabei bietet es relativ viel Abwechslung, sticht aber eben zu keinem Zeitpunkt aus der Masse der soliden Shooterkost hervor. Und es ist, wie die Konkurrenz, verdammt kurz. Mehr als fünf Stunden wird hier niemand benötigen, um den Abspann über den Bildschirm flackern zu sehen.
Hinzu kommt noch eine KI, die man gar nicht erst als solche bezeichnen darf. Die Gegner stürmen einfach in eure Richtung, gehen nicht wirklich in Deckung und lassen sich fast schon liebend gerne abknallen. Da ihr jedoch kaum Treffer aushaltet, ist das Spiel zum Glück zu keinem Zeitpunkt zu leicht. Spannung kommt bei den Gefechten aber trotzdem nicht auf, was auch an den sehr starren Skripts liegt. Das Infiltrieren eines Gebäudes zum Beispiel läuft immer gleich ab, eure Kameraden stellen sich immer an die gleiche Stelle neben der Tür. Auch hier ist der Titel einem
Call of Duty deutlich unterlegen.
So sieht Afghanistan aus?
Medal of Honor setzt im Singleplayer-Modus auf eine modifizierte Version der Unreal Engine 3. Doch das muss nicht automatisch für eine gute Grafik stehen, wie schon viele Titel gezeigt haben. Leider hinkt auch dieses Spiel hier seinen Möglichkeiten weit hinterher: Unscharfe Texturen, schwache Effekte und Tearing hinterlassen einen durchwachsenen Eindruck. Dabei sind die Landschaften eigentlich ganz schön geworden, auch die Weitsicht kann sich sehen lassen. Die Animationen der Soldaten gehen in Ordnung. Ein
Modern Warfare 2 sieht aber letztendlich wesentlich besser aus. Wer hier also ein Grafikspektakel erwartet, wird enttäuscht werden.
Dafür weiß die Akustik immerhin zufrieden zu stellen. Die deutsche Sprachausgabe ist ganz ok und die Waffensounds sind durchaus gut gelungen, auch wenn diese nicht an ein
Bad Company 2 heranreichen können. Dafür fehlt es ihnen dann doch noch ein wenig an "Wumms". Die Musik hinterlässt auch einen guten Eindruck und passt auch stets zum Geschehen im Spiel.
Modern Warfare + Bad Company 2 = Medal of Honor
Kommen wir zu guter Letzt noch zum Multiplayer-Part von
Medal of Honor. Allzu viel müssen wir hierzu eigentlich nicht mehr sagen, das haben wir schon in unserer
»Preview zur Beta-Version getan. Denn wirklich viel verändert hat sich nicht. Es gibt vier Spielmodi, die alle keinen Innovationspreis gewinnen: Team-Deatchmatch (heißt im Spiel Team-Sturmlauf), Kampfeinsatz (funktioniert wie der Rush-Modus in
Bad Company 2), Sektor-Kontrolle ist ein Eroberungs-Modus mit drei Kontrollpunkten, die es zu erobern und zu halten gilt sowie Zielraid, wo zwei Ziele in die Luft gejagt werden müssen. Das alles macht Spaß, leidet aber unter dem nicht durchgehend guten Map-Design und eben jenen Problemen, die schon in der Beta vorhanden waren. Es spielt sich einfach wie eine Mischung aus
Modern Warfare 2 und
Bad Company 2, wobei es sich jedoch für einen schnellen Ballerspaß wie im ersteren Titel zu langsam steuert und für einen taktischen Team-Shooter wie letzteren Titel unterstützt es einfach viel zu wenig Teamplay, da die Klassen sich überhaupt nicht gegenseitig helfen müssen. Das Rangsystem funktioniert, ist aber nichts besonderes.
Entwickelt wurde der Multiplayer-Modus von EA DICE, den
Battlefield-Machern und basiert daher auch auf der Frostbyte-Engine von
Bad Company 2. Dadurch sieht der Online-Modus besser aus als der Singleplayer, allerdings fehlt die tolle Zerstörungsengine des hauseigenen Konkurrenten. Dafür glänzt
Medal of Honor hier mit seinem Sound.
Wer will, kann übrigens einen Großteil der Missionen der Kampagne im sogenannten Tier 1-Modus nochmal spielen - dann aber auf Zeit. Feiert ihr dann Erfolge, findet ihr euch in der Online-Rangliste wieder. Das mag ganz witzig sein, um sich mit anderen Spielern vergleichen zu können, aber da die Missionen ja nicht so unglaublich spannend sind, erhöht es den Wiederspielwert auch nicht sonderlich.