Als geistiger Nachfolger von Baldur’s Gate 2 angekündigt, erscheint mit Dragon Age: Origins jetzt ein echtes Rollenspiel-Highlight für all diejenigen, die erwachsenere Titel fernab der geschönten Fantasy-Welt bevorzugen, aber auch für diejenigen, die taktische und storytechnisch herausragende Rollenspiele, inklusive einem Gameplay voller Konsequenzen suchen. Diese Faktoren fügt Dragon Age: Origins brillant zu einem tollen Erlebnis zusammen. Mehr dazu in den nachfolgenden Textzeilen.
Dunkle Zeiten in Ferelden
Dragon Age: Origins versteht es, eine durch und durch fantasievolle Geschichte zu erzählen. Wendungen, Intrigen und epische (Kurz)Geschichten aufzutischen, beherrscht BioWare, so viel sei vorweg verraten, nach wie vor. Eingebettet wird die Handlung in die Spielwelt Ferelden, in der sich der von euch zu Beginn erstellte Held wieder findet. Selbigen könnt ihr aus einem großen Fundus an Einstellungsmöglichkeiten (inklusive der Rassen: Menschen, Elfen, Zwerge) optisch ausgestalten sowie einer Klassen zuordnen. Die Klassen Krieger, Magier und Dieb geben dabei vor, wie und wo ihr letztlich das Abenteuer beginnt. Als Krieger beispielsweise startet ihr in einer der sieben Einführungsgeschichten mit der Ausbildung zum Grauen Wächter. Die Vereinigung der Grauen Wächter unterliegt dem Auftrag, das Königreich zu beschützen und gegen die Gegenmacht der dunklen Brut zu bestehen. Egal welcher Klasse ihr angehört, die Story bleibt konsequent spannend und wendungsreich. Präsentiert wird sie nicht in langweiligen Menüs, sondern in den zahlreichen, kinoreifen Zwischensequenzen. In anderen Genre-Konkurrenten lassen sich derlei schön aufbereitete Einspieler nicht wiederfinden, weshalb die Atmosphäre, dank der toll vertonten Dialoge noch einmal mehr, nahezu außer Konkurrenz steht. Wer einmal etwas nachlesen möchte, freut sich über die Kodexeinträge, die euch mit zusätzlichen Informationen über Ferelden, Fraktionen oder der Vorgeschichte versorgen. Aufgrund der drei - abhängig von der Klassenauswahl - verschiedenen Blickwinkel sowie der Entscheidungsmöglichkeiten während vieler Aufgaben (dazu später mehr) ist auch der Wiederspielwert sehr hoch. In allen Rollen ist das Hauptziel jedoch identisch: Es gilt die dunkle Brut, sozusagen die Abgesandten der Hölle, zu vertreiben.
Baldur’s Gate 3?
Unabhängig von der Klasse, zieht ihr im Großteil von
Dragon Age: Origins mit drei weiteren Mitstreitern ins Gefecht. Diese lernt ihr in der großen, aber linearen Spielwelt kennen und könnt sie bei Bedarf anheuern. Vor jedem anstehenden Abenteuer dürft ihr dann aus den bislang zur Verfügung stehenden Personen drei Begleiter auswählen. Je nach Konstellation müsst ihr darauf achten, dass ihr jedes Mitglied eurer Truppe anständig behandelt und dessen Vorlieben im Hinterkopf behaltet, ansonsten kann es sein, dass manche Charaktere die Gruppe nach für sie unmoralischen Handlungen verlassen. Aufschluss über das Vertrauen in euch gibt eine gelbe Anzeige am oberen Bildschirmrand. Verbessern könnt ihr diese mit Gesprächen und Meinungen, die ihr mit der betroffenen Person teilt oder eben nachvollziehbaren Aktionen. Zum Beispiel, wenn ihr im Gespräch mit offensichtlich feigen Elfen seid und ein wackerer Haudegen aus eurer Gruppe dieses passive Verhalten lächerlich findet und lautstark anprangert. Aber auch nur dann, sofern ihr den erwähnten Mitstreiter auch im aktuellen Team habt.
Auswirkungen haben die Kommentare der Party-Mitstreiter aber nur selten, es sind lediglich teils nette, teils amüsante Gedankensplitter zur aktuellen Situation. So verlaufen die Gespräche und Reaktionen der Gruppe in jeder Zusammenstellung ganz anders. Ebenfalls unterschiedlich verlaufen auch die Kämpfe, bedingt durch die Charakterauswahl des Teams. Bestmöglich wählt ihr eure Einheit so, dass ihr als eine ausgewogene Mannschaft in den Kampf zieht. Ein Krieger an der Front, Zauberin und Heiler als Unterstützer, ein Bogenschütze als Fernkämpfer sowie ein zweiter Krieger oder eine nützliche Diebin im Nahkampf. Letztere ist eher für das Öffnen von verschlossenen Truhen nützlich als für handfeste Auseinandersetzungen, trotzdem kann auch sie fiese Taktiken wie den Schlag unter die Gürtellinie oder einschüchterne Lieder einbringen. Wer nur Anhänger einer Klasse mit in den Kampf nimmt, hat schlechte Karten, da Taktik in
Dragon Age: Origins hoch im Kurs steht.
Kampf der Giganten
Die unvermeidbaren Gefechte gegen die dunkle Brut, meist in Gestalt von finsteren Kreaturen a là
Herr der Ringe oder
G***s of War, geht ihr entweder in der aus anderen Rollenspielen bekannten Draufsicht an oder ihr zoomt via Mausrad in die konventionelle Third-Person-Perspektive. Egal aus welchem Winkel die Kämpfe vonstatten gehen, sie laufen stets nach dem gleichen Muster ab: Ihr pausiert das Geschehen, verschafft euch einen Überblick über die Situation, markiert die anzugreifenden Gegner und selektiert die klassenspezifischen Fähigkeiten. So bringen wir den ersten Feind mit einem Zauber in Trance, schlagen mit unserem Krieger in einer mächtigen Kombo zu und lassen unseren Bogenschützen mit Feuerpfeilen auf die anrückenden restlichen Angreifer feuern, um sie schon im Voraus zu lädieren, bevor wir dann nach dem ersten erledigten Gegner wieder in den Pausenmodus schalten und neue Kommandos geben. Dank der verschiedenen Fähigkeiten unserer Kämpfer, ergänzen sie sich gegenseitig, sofern die Zusammenstellung passt. Wenn ja, erledigt ihr recht schnell eure ersten Quests, später jedoch bedarf es zumindest im Schwierigkeitsgrad "Normal" noch feinfühligerer Taktikanweisungen, weil eure Heldentruppe sonst schnell zu Boden geht.
Insbesondere dann, wenn die härteren Kaliber aufschlagen, beispielsweise Oger, beziehungsweise Endgegner wie Drachen oder sich teleportierende Magier. Oft sind gegen diese Feinde andere Taktiken gefragt, da mächtige Gegner auch ebenso mächtige Attacken auf Lager haben, denen manchmal nur schwer zu entrinnen ist. Anfänger wählen lieber den weniger knackigen Schwierigkeitsgrad "Leicht". Nett: Man darf jederzeit zwischen ihnen wählen, was Frust vermeidet.
Aufgabenreich
Nur weil die Spielwelt von
Dragon Age: Origins an sich in recht lineare Segmente eingeteilt ist, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht groß und vor allem umfangreich in Sachen Quests ausfällt. In den Siedlungen, Wäldern oder den großen Städten holt ihr euch nicht nur etliche Gespräche, sondern auch viele, viele Quests ein. Wir helfen einer lebendigen großen Eiche bei der Suche nach einer Eichel, helfen einem Jäger-Lehrling bei einem Frauenproblem oder wagen uns im Zuge einer Hauptquest tief in einen Tempel voller Werwölfe, Spinnen nebst Skeletten vor. Dabei geht dem Spiel auch nach Stunden nicht die Luft aus, reine Sammelquests gibt es nur eine Hand voll, obschon manche einfach nett verpackt zu sein scheinen und es so gar nicht weiter auffällt. Trotzdem sei erwähnt, dass nach dem gemächlichen Beginn viele Aufgaben folgenschwere Entscheidungen mit sich bringen, die wiederum Konsequenzen für den Verlauf des Spiels haben.
Nicht nur für die Mitglieder der eigenen Party, auch die Fraktionen in der Spielwelt machen eine womögliche Zusammenarbeit oder blankes Mistrauen an eurem früheren Verhalten abhängig. Demnach kann es schon mal passieren, dass ihr erst Stunden nach einer Aktion auf die Konsequenzen hingewiesen werdet. Das fühlt sich stimmig und authentisch an! Obwohl ihr ein klares Ziel vor Augen habt (die dunkle Brut auslöschen), lenken euch dutzende Nebenquests davon ab und unterhalten in jeder Minute mit neuen schrägen Charakteren und spannenden Kurzgeschichten rund um Ferelden, präsentiert in toll vertonten Dialogen. Wermutstropfen: Euer Alter Ego bleibt das ganze Spiel über stumm.
Sammelsucht
Natürlich verdient ihr nach jeder erfolgreichen Handlung in
Dragon Age: Origins zumeist Erfahrungspunkte, die euch wiederum Levenanstiege bescheren. Durch allerlei freischaltbare Fähigkeiten kommt schnell die Frage auf, welche Fähigkeiten ihr erlernen möchtet. Den Umgang mit zwei Waffen? Oder doch lieber die fortgeschrittene Schwertausbildung? Solche Fragen stehen des Öfteren an. Neben dem umfangreichen Talentbaum sammelt ihr zudem noch massig Gegenstände ein, die in der Spielwelt meist gut sichtbar herumliegen, obgleich manche Truhen dank unzureichender Fähigkeiten so manches Objekt der Begierde unter Verschluss halten. Gut, wenn sich ein Dieb in eurer Gruppe befindet. Dem Vergleichen im Inventar kommt zu Gute, dass sofort nach dem Darüberfahren mit der Maus zwei kleine Fenster aufklappen, die zum einen die aktuell ausgerüstete Waffe und zum anderen die neu hinzugekommene anschaulich miteinander vergleichen.
Die aufzufindenden Objekte sollten zweifellos alle Gemüter ansprechen, denn von Schmuck, über Schriftrollen bis hin zu hunderten Ausrüstungsteilen ist alles mit dabei, was einen Sammelliebhaber fröhlich stimmen mag.
Was seh und hör ich da?
Optisch lässt einen
Dragon Age: Origins zwiegespalten zurück. Einerseits protzen die Personen mit vielen Polygonen wie einst in
Mass Effect. Dennoch trüben die kantigen und texturarmen Landschaften den anfangs guten Eindruck. Daran wird deutlich, dass die Engine schon einige Jahre auf dem Buckel hat und wohl eher auf die Charakterdarstellung an sich Wert legt. Innenbereiche hingegen warten mit mehr Detailverliebtheit als die Außenabschnitte auf und sind über jeden Zweifel erhaben. Gleiches gilt für den famosen Soundtrack, zu dem Komponist Inon Zur seinen Teil beigetragen hat. Die Dialoge stehen dem in nichts nach und überzeugen durch eine top Sprecherbesetzung. Dass man die Komprimierung der Soundschnippsel heraushört, ist aufgrund der schieren Masse an vertonten Gesprächen verständlich, bleibt aber trotzdem dezent störend.
Ausgezeichnet mit den folgenden GameRadio-Awards:


