Viele Fans der Resident Evil-Serie waren von den jüngsten Serienteilen enttäuscht: Zu wenig Horror und Erforschung, stattdessen Actionhatz und Koop-Ärger. Erstaunlich, dass gerade ein Handheld-Ableger der beliebten Marke zeigt, wie es besser geht - alte Tugenden gepaart mit den neuen Elemente in einem atemberaubenden Horror-Action-Trip, wie wir ihn so noch nie auf einem Handheld-System erleben durften. Danke, Capcom!
Wo ist Chris Redfield?
Die Handlung von
Resident Evil: Revelations schlägt die Brücke zwischen
»Resident Evil 4 und
»Resident Evil 5. Ein Jahr nach einem Terroranschlag mit Biowaffen und der Vernichtung der Stadt Terragrigia tauchen an Mittelmeer-Stränden furchtbar entstellte Kadaver auf. Die B.S.A.A. (
Bioterrorism Security Assessment Alliance) schickt Serien-Urgestein Jill Valentine zusammen mit Parker Luciani als Partner los, deren Herkunft zu erforschen. Doch schon bald geht das Signal von Jills Ex-Partner Chris Redfield, der ebenfalls für die B.S.A.A. im Einsatz ist, verloren. Irgendwo im Mittelmeer. Als Jill und Parker per Schlepper an der letzten bekannten Position von Chris auftauchen, stoßen sie auf ein verlassenes Luxus-Kreuzfahrtschiff, der Queen Zenobia. Und dort finden sie mehr, als sie gesucht haben. Oder hat es dort nur auf sie gewartet?
Ihr schlüpft also zunächst in den Neopren-Kampfanzug von Jill, welche ihr serientypisch in der Verfolgeransicht steuert. Gezielt wird, ebenfalls wie in
Resident Evil üblich, aus der Schulteransicht - ihr könnt aber in den Optionen auch das Zielen aus der Egoperspektive wählen. Überhaupt lassen die Optionen euch jede Menge Freiraum, um das Spiel euren Gewohnheiten anzupassen. Einer der wesentlichsten Neuerungen im Gameplay ist die Fähigkeit, beim Zielen sich noch bewegen zu können. Das setzt allerdings das Circle Pad Pro (im Spiel "Schiebepad" genannt) voraus. Zwar könnt ihr euch auch ohne den Zusatz bewegen während ihr die Waffe gezückt habt, um damit jedoch zielen zu können, müsstet ihr dies per Gyrosteuerung erledigen. Nicht jedermanns Sache -
Resident Evil: Revelations spielt sich mit der Schiebepad-Hardware daher um einiges komfortabler. Aber auch ohne den Zusatz lässt sich das Spiel noch immer ziemlich gut spielen. Ohnehin ist euer Gegner seltener die Steuerung als viel eher die beklemmende Enge der Gänge und die damit verbundene Nähe zu euren Gegnern. Die umfassen diesmal leider nur wenige verschiedene Typen, dafür ist deren Design gelungen: Gewohnt grotesk und ekelerregend streifen mutierte Kreaturen durch die Flure oder springen euch bedrohliche Hunter-B.O.W. (
Bio-Organic Weapon) vor die Wumme. Und selbst unter Wasser seid ihr nicht sicher vor den Biestern.
Zurück zu alten Pfaden
Das Gameplay orientiert sich weitenteils überraschenderweise nicht an den jüngeren Episoden der Serie, sondern eher am ersten Teil. Entsprechend erforscht ihr mit Jill & Parker das Schiff ähnlich wie in
Resident Evil seinerzeit das Herrenhaus. Es gibt also einiges zu entdecken, dadurch bedingt natürlich auch ein wenig Backtracking. Bereits besuchte Gänge passiert ihr wieder und wieder, was bei einem eingeschränkten Areal wie auf einem Schiff aber ja auch nicht ausbleibt. Wenn euch allerdings ein Zeitlimit im Nacken hängt und ihr enge Gänge voller abartiger Kreaturen passieren müsst, dann entsteht wieder das actionreiche Tempo der jüngeren Serienteile. Allerdings ist das mitunter auch ziemlich hektisch, da ihr aufgrund der Enge kaum vernünftig schnell zielen könnt. Gerade ohne Circle Pad Pro wird das Spiel dann auch schnell mal frustrierend, auch wenn Serienkenner sich daran kaum stören und mit den Gegebenheiten problemlos zurechtkommen werden.
Auf eurem Weg sammelt ihr serientypische Items ein, etwa die bekannten grünen Kräuter zur Heilung von Verwundungen. Natürlich findet ihr auch wieder verschiedene Waffen und die entsprechende Munition. Alles das lässt sich über das Inventar auf dem unteren Touchscreen problemlos arrangieren und nutzen. Kräuter etwa könnt ihr entweder per A-Taste einsetzen oder per Druck auf das entsprechende Icon auf dem Touchscreen. Etwas unhandlich ist dagegen der Einsatz der Zweitwaffe: Sowohl das Messer (bei Parker die Axt) als auch später die Granaten liegen im gleichen Slot. Da kommt es mitunter vor, dass ihr im Eifer des Gefechts eine Granate werft, obwohl ihr eigentlich euer Messer im Nahkampf einsetzen wolltet. Eine nette Neuerung in
Resident Evil: Revelations ist der Genesis-Scanner: Mit diesem könnt ihr Gegner scannen und Informationen sammeln. Die bringen euch zwar erstmal nichts, aber sobald der Scanner zu 100% mit Daten gefüttert wurde, erhaltet ihr ein Hilfs-Item zusätzlich. Die wichtigste Funktion kommt Genesis allerdings bei der Suche nach versteckten Items zu. Warum man etwa ein Heilkraut in einer Ecke nicht sehen kann und es erst per Scanner auffinden muss bleibt wohl das Geheimnis der Macher, aber wer es immer wieder nutzt entgeht problemlos jedem Munitionsmangel.
Euer Inventar ist jedoch nicht unbegrenzt befüllbar. Das erlaubt es euch immerhin, drei verschiedene Waffen mit euch herumzutragen. An bestimmten Kisten könnt ihr diese jedoch wieder wechseln (jede aufgesammelte Waffe ist automatisch auch dort eingelagert) und sogar aufwerten. Jede Waffe verfügt nämlich über eine unterschiedliche Anzahl an "Steckplätzen", in die ihr spezielle Zubehörteile, die ihr vorher entdeckt habt, einbauen könnt. Damit steigert ihr die Schadenswirkung, vergrößert das Magazin oder ermöglicht eine höhere Schussfrequenz. Im Laufe der Zeit sammelt ihr ein mächtiges Arsenal an: Verschiedene Pistolen, Maschinen- und Scharfschützen-Gewehre wie auch Raketenwerfer stehen euch gegen Ende zur Verfügung.
Episodic Mindfuck
Die Handlung von
Resident Evil: Revelations wird in einzelnen Episoden vorangetrieben, welche oft mit einem Cliffhanger enden. Ständig wird zwischen verschiedenen Parteien hin- und hergewechselt: Mal seid ihr mit Jill & Parker unterwegs, dann mit Chris und seiner Partnerin Jessica Sherawat, später wird auch mal zu Keith Lumley und Quint Cetcham gewechselt. Ihr seht schon, dass neben den bekannten Seriencharakteren auch einige neue Gesichter Einzug halten. Das liegt wohl vornehmlich an Dai Satō, welcher für den Plot zuständig war und besonders durch seine Arbeiten an Anime-Serien wie
Cowboy Bebop und
Samurai Champloo bekannt sein dürfte. Egal mit welchem Charakter ihr unterwegs seid, selten seid ihr auf euch alleine gestellt. Anders als in
Resident Evil 5 habt ihr jedoch kaum Einfluss auf euren jeweiligen Partner. Das erspart euch nerviges Verteilen von Ausrüstung (und Verschwendung von Heilmitteln, Gruß an Sheva Alomar), lässt euch allerdings mit einem Partner zurück, der zwar nicht wirklich viel hilft, aber eben auch nicht schadet. Und mitunter gelingt es der KI sogar, euch wirklich den Arsch zu retten.
Zudem hält der Plot einige Überraschungen parat. Es braucht allerdings ein wenig Zeit zu verstehen, was da genau alles vor sich geht. Denn die Erzählung springt nicht nur munter zwischen den verschiedenen Teams hin und her, sondern auch zwischen den Zeiten. Mal gibt es eine Rückblende, dann die jetzige Zeit, dann was zur gleichen Zeit woanders geschieht... das mag zunächst verwirren, erlaubte den Machern allerdings auch die Platzierung des ein oder anderen Mindfuck-Momentes. Damit ihr nicht zu sehr verwirrt werdet, werden vor einer Episode die Ereignisse bis dahin noch einmal zusammengefasst.
Auf Raubzug
Habt ihr nach zwölf Episoden und etwa zehn bis zwölf Spielstunden die Kampagne beendet, könntet ihr diese in einem höheren Schwierigkeitsgrad erneut versuchen. Viel Neues gibt es dabei freilich nicht zu entdecken, immerhin könnt ihr aber dank "New Game+" mit den bereits in eurem Besitz befindlichen Waffen loslegen. Interessanter ist dagegen der Raubzugmodus, der den Söldnermodus ersetzt, welcher auf dem 3DS ja schon solo als
»Resident Evil: The Mercenaries 3D veröffentlicht wurde. Dieser neue Modus ist jedoch nicht von Beginn an auswählbar, erst durch Fortschritte in der Kampagne schaltet ihr Stufen für euren Raubzug frei. Diese könnt ihr entweder alleine oder im Koop angehen - sowohl lokal als auch online. Euch erwarten hier Abschnitte aus der Kampagne, die ihr absolvieren müsst und bei denen ihr natürlich mit allerlei garstigen Kreaturen konfrontiert werdet. Ziel ist es, das Ende des Abschnittes zu erreichen, dabei möglichst viele Punkte durch schnelles und (für euch) schadloses Ausschalten der Monster zu erhalten. Genauso wie ihr haben diese unterschiedliche Level und können teilweise auch über spezielle Fähigkeiten verfügen, wie etwa härtere Panzerung gegen eure Kugeln oder einen Geschwindigkeits-Boost. Durch die Erfüllung bestimmter Aufgaben und durch eure Level-Anstiege erhaltet ihr weitere Waffen, Ausrüstungsgegenstände und neue Outfits für eure Charaktere. Alternativ kauft ihr diese mit verdienten Kampfpunkten.
In technischer Hinsicht ist Capcoms Entwicklerteam absolut Respekt zu zollen. Zwar ist der 3D-Effekt nicht so umwerfend wie etwa in
»The Legend of Zelda: Ocarina of Time 3D, kann aber durch Regler in den Optionen hochgeschraubt werden. Dann entspricht die Intensität der 3D-Darstellung etwa der von
»Pilotwings Resort, was allerdings sicherlich nicht für jeden Spieler geeignet ist. Die Grafik selbst ist absolut beachtlich: Seien es der Regen auf dem Deck, die eklig-verschmierten Böden, die wundervoll ausgeleuchtete Haupthalle des Schiffes, die eisig-zerklüfteten Gebirge und auch sämtliche weitere Schauplätze - grafisch setzt
Resident Evil: Revelations auf dem 3D-Handheld Maßstäbe. Das gilt auch für die Beleuchtung, die mit ihrem Licht- und Schattenspiel für bedrückende Gruselatmosphäre sorgt. Dabei geht die Bilddarstellung zu keiner Sekunde merklich in die Knie, weder in 2D noch in 3D. Einzige Ausnahme ist Nachladen der Areale - etwa in einem Schleusenraum oder einem Aufzug. Das ist aber vernachlässigbar, da in diesen Momenten ohnehin nichts passiert. Auch die Soundeffekte und die musikalische Untermalung tragen zur Atmosphäre bei: Während ihr durch die Gänge streift, vernehmt ihr immer wieder schmatzende und knarzende Geräusche, die euch hinter jeder dunklen Ecke einen Feind vermuten lassen. Und wenn ihr dann wirklich angegriffen werdet, legt die Musik nochmal an Tempo zu und peitscht euch geradezu durch die Abschnitte.
Die beste Nachricht zum Schluss: Auf dem Modul befinden sich mehrere Sprachversionen - das gilt sowohl für die Bildschirmtexte (einschließlich der Untertitel) als auch für die Synchronisation. Damit ist
Resident Evil: Revelations der erste Serienteil, der komplett auf Deutsch synchronisiert wurde. Und das sogar nichtmal schlecht, ganz im Gegenteil! Dennoch werden Fans sicherlich bevorzugt die englische oder gar japanische Sprachfassung auswählen, weil ihnen die Stimmen vertrauter sind.